So aufgeregt war ich wegen 150 Kilometern Radfahren schon lange nicht mehr. Obwohl ich schon den Velothon im Starkregen – mein erstes Rennen – überstanden hatte, hatte ich einen Schulterbruch später immer noch gehörigen Respekt vor so großen Ansammlungen von Radlern der, sagen wir mal, unterschiedlichsten Erfahrungsstufen. Oder einfach: Schiss vor dem Hauptgewinn in der „Sturzlotterie“.
Zudem schien die ganze Aktion unter einem schlechten Stern zu stehen. Doppelte Haushaltsführung ist insgesamt eher unpraktisch. Zwei Räder hab ich eh, die zweite Standpumpe (kann man nicht genug von haben) auch schon länger, die zweite Minipumpe seitdem die gute Lezyne letztes Mal in Hamburg blieben lieg … aber ein zweiter Edge wäre doch ein bisschen zuviel des guten. Vier Wochen vor Ende der „Geschäftsaushilfe“ sowieso. Nichtsdestowenigertrotz … blöd, wenn man zu spät bemerkt, dass dieses … hmm, sagen wir mal … lieb gewonnene Gadget sich zum richtigen Zeitpunkt in der falschen Wohnung, in der falschen Stadt befindet.
Oder, wie ich mir dann so dachte: ich hab quasi an alles gedacht. Außer an den unwahrscheinlichen Fall, dass ich die Streckenlänge aufzeichnen möchte … was auch nur in 100% der bisherigen Fälle eingetreten ist.
Ach so .. und meine Handschuhe habe ich dann in der richtigen Stadt, in der richtigen Wohnung liegen lassen – aber leider zu spät bemerkt, um noch einmal umzukehren und sie zu holen.
Zurück zum GPS-Tracking: Unterwegs merkte ich dann leider schnell, dass mein Forerunner zwar die Zeit wunderbar maß – aber offenbar keine GPS-Daten. Mehrfach stoppte ich den Timer, startete ihn neu … nix zu machen. Keine Ahnung. Beim Überqueren des Köhlbrands – was eigentlich ein persönliches Highlight sein sollte – war ich primär damit beschäftigt, mich a) über meine Schusseligkeit und b) den führenden Hersteller von GPS-Geräten im Sportbereich zu ärgern.
In Waltershof dann erstmal rechts raus, Handy aus der Trikotasche gefummelt und Strava angeworfen. Daher auch der leicht verkürzte Track.
Das Motto ist hier: meine Sache, wie ich über die Elbe gekommen bin. Geht keinen was an. 😉
Die nächsten knappen drei Stunden dann also in meinem angestammten Revier: auf der Südschleife unterwegs. Immer ein bißchen in Gedanken bei meinem Telefon: klappt die Aufzeichnung? „Strava or it did not happen!“ Und immer noch ein bißchen angepisst. Ohne Tacho fahren ist extrem doof.
Wie sich herausstellt trage ich mich mit erstgenannter Sorge 38 Kilometer lang. Schrödingers iPhone sozusagen. Solange ich es nicht kontrolliere zeichnet es auf, und tut es gleichzeitig nicht. Oder so. Wie dem auch sei. Ich freu mich, dass endlich meine Blase drückt und ich bei der Gelegenheit die App kontrollieren kann. Ja – sie zeichnet auf. 32er-Schnitt. Hmm. Vielleicht doch nicht ganz so aus dem Pulk raushalten?
Na ja. Mit Tacho im Blick wäre ich sicher etwas engagierter gefahren. Man weiß nie, was wozu gut ist. Und obgleich es mir fortan immer besser gelingt, das Radfahren zu geniessen, überlege ich ernsthaft, ob sich die Teilnahme an diesem Event „lohnt“. Ich fahre, wo ich immer fahre. Windschatten fahr ich eh kaum. Radfahrer in großer Anzahl nerven tendenziell genauso sehr wie Autos. Tendenz: eher nicht.
Auch doof: ich merke, wie stark meine Essensplanung von der Distanz abhängig ist. Nach 50km ein Riegel ist so eine Regel. Ich muss zugeben, dass ich bei der Einhaltung solcher Pläne zu einer gewissen Pedanterie neige. Na ja .. unfreiweilige Behandlung einer Zwangsstörung, sagen wir mal. Außerdem konnte ich feststellen, dass die Entfernungen „Pi mal Auge“ abzuschätzen erstaunlich gut klappte. Ein Blick auf den Streckenplan vorher in Kombination mit etwas Ortskenntnis wirken Wunder.
So bin ich auch ziemlich sicher, bei ziemlich genau Km 80 Stefan getroffen zu haben.
Gute zehn Kilometer später kommt uns der Peloton der „Berufsradfahrer“ (wie der Sprecher morgens am Start die Herren Profis konsequent genannt hatte) entgegen. Die fuhren noch sehr entspannt und locker plaudernd – während ich mir kurze Zeit später überlegte, mich nicht von den Stallgeruch witternden 100km-Fahrern anstecken zu lassen. Schließlich hatte ich noch 55 weitere vor mir…
…die erwartungsgemäß deutlich einsamer wurden als die ersten 100. Gemeinsam mit einem Leidensgenossen arbeite ich mich an eine Gruppe ran. Das klappt echt gut, immer im Wechsel.
Na ja, und vielleicht hab ich doch ein bißchen mehr von den Schattenspendern partizipiert, als ich wahrhaben wollte.
Gefühlte 500m nachdem wir die Gruppe hatten: eine Verpflegungsstelle. Die Gruppe schert aus, und in dem Moment wusste ich, dass ich, egal was passiert, erst mal eine Weile würde allein fahren müssen. Naja. Dann kann ich genauso gut auch erstmal eine Banane essen. :-\
Es kam wie vorhergesehen: Zug verpasst. Den Großteil der Westrunde fuhr ich dann allein. Hin und wieder hole ich einzelne Radfahrer oder kleine Gruppen, ruh mich kurz im Windschatten aus .. und überhole sie dann. Logisch, dass sie mir zu langsam sind – wenn ich so große Abstände aufholen kann. Ich überlege kurz, ob ich rausnehme, um mich von einem schnelleren Bus einholen zu lassen .. aber mein Sportsgeist (hö,hö) wiederstrebt dem.
Hilfe naht in Form einer Gruppe, die mich einholt, und in die ich mich reinhängen kann. Jetzt wo ich’s niederschreibe: kann tatsächlich die Gruppe von vor der Verpflegung gewesen sein. Allerdings… wieder ungefähr 500m später…
…der Kösterberg. Die zweite „Bergwertung“. Wieder verliere ich die Gruppe. Nach hinten. Da waren vielleicht noch 20, 25 Kilometer zu fahren, und die Gruppe mir auch Latte. Da sie mich bis zum Ziel nicht mehr geholt hat, wäre es Nettozeittechnisch auch kein Gewinn mehr gewesen, wäre ich bei ihr geblieben.
Irgendwann muss es noch geregnet haben, denn ich erinnere, dass ich wegen meiner nassen Füsse rasch nach Hause wollte; die Kleiderbeutelabgabe hatte ich mir geschenkt.
Jetzt gibt es auch Schilder.. „noch 20“ … „noch 15“ … nicht nötig. Ich stelle fest, dass ich die Distanz ganz passabel schätzen konnte. Eine Bezugsgröße ist natürlich immer toll.
Tja. Einsam ist es, so kurz vor dem Ziel. Mit einem Teil der Triathlon- und Marathonstrecke, besonder hervorzuheben die Reeperbahn, birgt die Strecke hier aber noch so manches Highlight.
Na, doch. War schon toll. Ich denk auch, ich mach’s nochmal und versuch mich öfter mal in eins (einen?) der vielen Pelotons rein zu hängen. Einmal im Jahr kann man so was ruhig machen.