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Tour de Friends Stage 1 – München – Innsbruck

„Are you Bonkers?“

145km mit 900HM sind ja auch nur anderthalb Heidschnucken. Die Etappe am zweiten Tag ist nur 90 Kilometer lang. OK, dann wird es ein bisschen hart, aber danach dann, wird ja nur noch flach in Richtung Meer ausgerollt. Und überhaupt: 600km in vier Tagen, das ist ja nur ein halber Mallorca-Urlaub. Und alle sagen, das ganze wäre sowieso nur eine Mutti-Tour.

All das gesagte stimmt zweifelsohne. Aber immerhin liegen zwischen dem Start- und Endpunkt der TdF die Alpen. Für einen Ersttäter, einen angehenden Erstquerer meiner Meinung nach durchaus ein Grund für ein bisschen Nervosität. Oder vielleicht besser eine latente Anspannung. Dazu kam, dass die TdF so plötzlich kam wie sonst Weihnachten. Wobei der gefühlte Trainingsrückstand einer objektiven Prüfung nicht wirklich standhielt. Wie das halt so ist, wenn man etwas zum ersten Mal macht. Einzig etwas schwerer war ich vor dem Start als ursprünglich geplant – aber irgendwas ist ja immer.

Ach so, und dann das Wetter! Das war wirklich gruselig vorhergesagt. Also nix mit „pack light“. Und die Bonkers! Die hatte ich vorher ja noch gar nicht auf dem Plan.

Kurzfristig, sehr kurzfristig, ergab es sich nämlich, dass die unter Pseudonym startende Zeckentruppe die Fragmente zweier zuvor gesprengter Teams „schluckte“ – darunter Philipp und mich. So fand ich mich durchaus passend gewandet in meinem Camouflage-Jersey am Start an den Bavaria-Filmstudios wieder. In kurzer Hose und mit Armlingen. Denn: entgegen vorherigen Unkenrufen sollte es durchaus warm werden, gut zweistellig, und mit etwas Glück sogar bis kurz vor Innsbruck trocken. So wanderte auch die Regenjacke ins Aufgabegepäck.

Und nun, wie Ingo im Verlauf der vier Tage noch sicher an die hundert Mal sagen sollte: „Kick it!“.  Ab auf meine anderthalb Heidschnucken.

Zunächst flach pedalierte man auf die Alpen zu. Zunächst auf etwas widrigem Untergrund. Sprach man beim Briefing noch von ca. 40km Gravel zu Beginn, kündigte man am Start noch deren 60 an. Es sei schon „scheiße …. aber geil“ hieß es. Das fand ich vor dem Start noch amüsant – und eigentlich immer noch – aber mit der Tour in den Beinen, und dem noch nicht vollständig abgebautem Adrenalin (oder welche Hormone beim Ausdauersport so produziert werden, ich bin ja schließlich kein Arzt) sehe ich durchaus, daß in dem Fall nur ein scheinbarer Widerspruch vorliegt. Oder anders: ich teile den Enthusiasmus inzwischen, der solche ambivalenten Aussagen möglich macht.

Ach so, die Bonkers. Vermutlich der Faktor, über den  ich mir im Vorfeld am meisten Sorgen hätte machen können. Jetzt war aber keine Zeit dafür. Man hatte Bock auf Ballern. Manchmal hätte ich mir etwas mehr Muße gewünscht, Landschaft, Fotos, und so. Aber ein paar habe ich machen können, und andere wiederum konnte ich in meinem Kopf abspeichern. Der Stil der Bauernhäuser, braune statt schwarz-bunter Milchkühe,… bevor die Berge sich am Horizont auftaten erste äußere Anzeichen, daß ich mich in einem anderen Bundesland bewege als üblich.

Bis zum Tegernsee habe ich mich dann auch einigermaßen eingerollt. Wir fahren zügig, ich bin angestrengt, aber ich habe einen Blick für das Drumrum – wie den vorgenannten Tegernsee zum Beispiel, habe Gelegenheit mich über das tatsächlich passable Wetter zu freuen und verschwende erstmal nicht soviele Gedanken an das Morgen. Oder Übermorgen. Vor allem Übermorgen.

In die erste, mit Fähnchen markierte Strava-Bergwertung gehe ich dann auch mit entsprechendem Elan hinein. Drei Fahrer setzen sich ab und ich überlege kurz, mitzugehen – setze mich dann aber in einem Fall von Selbstüberschätzung an die Spitze der Verfolgergruppe. Mit Begeisterung allein gewinnt man aber keine Bergwertung. Gegenwind, da war bestimmt auch Gegenwind. Früher, als ich gehofft habe, muss ich vorne raus … und kann der Gruppe dann nur noch hinterher gucken. Bald sind sie sogar außer Sichtweite. Trotzdem gelingt es mir, mich über das Schild „Achenpass“ wie Bolle zu freuen. Muttiradweg hin oder her: immerhin mein erster Alpenpass. Das zählt doch schon als Alpenpass, oder? Ich muss das googeln.

Eine Weile fahre ich noch allein … bis zwei Camouflagehemden von hinten aufschließen. Falsch abgebogen. An dieser Stelle zähle ich schon die Kilometer zur nächsten Labestelle (wir sind inzwischen in Österreich!) herunter. Wie sich nun herausstellt, bin ich da nicht der einzige. Das ist ein bißchen beruhigend. Im Gegenzug kann ich die Jungs beruhigen, denn ich weiß genau, wann die Verpflegung kommt; und weit ist es jetzt nicht mehr.

Dort vereinigt sich die Gruppe dann wieder und kann sogar ein oder zwei Fotos vom Achensee machen. Spoiler: es bleibt bis Innsbruck trocken.

Bei der anschließenden Abfahrt merke ich, was sich hinter dem Spruch „It never gets easier, you just go faster“ wirklich verbirgt. Rollen lassen ist nicht. Gefangene werden nicht gemacht. Auch bergab wird gedrückt. Trotz meines Gewichtsvorteils entstehen bisweilen Lücken. Außer Sichtweite gerät die Gruppe aber nun nicht mehr.

Was das abschließende flache Stück am Inn angeht: nun ja. Morgen kann ich ja ausschlafen. Und trotzdem: nach hinten raus wird es dann doch ein bißchen zäh für meinen Geschmack.

Als ich später im Ziel (das Becks für mich bitte mit!) meine, für meinen Geschmack zu diesem frühen Zeitpunkt ein bißchen zu ausgeprägte, Erschöpfung beklagte, wurde – völlig zurecht – bemerkt, wir seien ja auch ganz schön schnell. Ich beschließe, bei Gelegenheit darüber nachzudenken, ob die Gruppe vielleicht doch ein bißchen stark für mich ist. (was ich sage: „morgen nehme ich deutlich raus, macht was ihr wollt). Zugleich gibt es erste Durchhalteparolen zu hören: so suchte man, mich mit der Aussicht auf die 100-Kilometer-Abfahrt am dritten Tag bei Stange zu halten.

Soviel zum Sport. Auf Strava sieht das ganze so aus:

Für Philipps Vorschlag, jetzt erstmal ein Nickerchen zu machen, könnte ich ihn knuddeln. Die Wartezeit zum Check-In in der Jugendherberge überbrücken wir, indem wir uns im nahen Supermarkt mit einer Brotzeit eindecken.

Nachdem wir tatsächlich ein bißchen die Augen zugemacht haben, entschließen wir uns zu zwei vier Kilometer langen Fußmärschen (über die Hinterhöfe Innsbrucks)  zur Abendverpflegung und zurück. Wir Self-Tracker müssen ja auch unser Schrittziel im Auge behalten. Die Bedienung erinnert ein bißchen an Andreas Gabalier, ist aber sehr nett,  nur vielleicht ein bißchen schwer zu verstehen. Das Essen ist gut und erstaunlich sättigend – und das Bier schmeckt auch.

Alles in allem ein gelungener Abschluss eines schönen Tages. Wir überlegen zwar noch kurz, ob wir uns wegen des frischen Schimmels auf den Bergspitzen Sorgen machen müssen, aber die vertage ich ebenso wie die Frage, ob es vernünftig ist, morgen wieder zu versuchen, an der Gruppe dran zu bleiben.

To be continued.

Festive 500 – die längste Nacht

Was schief gehen kann, geht schief. K., aka Frau H., kann ganze Arien davon schmettern. Tragikomische Romane verfassen, whatever. Aber: sie ist gleichwohl mit einem beneidenswerten Organisationstalent ausgestattet, was schlussendlich dazu führte, dass sie am Abend dieses zweiten Weihnachtsfeiertages samt Leihrad bei mir aufschlug, um gemeinsam mit mir die letzten Umbaumassnahmen daran vorzunehmen. Das ganze gestaltete sich dann derart kurzweilig, dass kurz aufkeimende Zweifel (will sagen: Selbstverfluchungen) in besagtem Keim auch wieder erstickt wurden. Auslöser dieses Zweifels war jenes rührende Video das uns übermittelt übermittelt worden war. Die Kernaussage war in etwa: „wir würden ja gerne mitkommen, aber wir haben leider die Lampen an“.

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