Tour de Friends Stage 3 Brixen – Vittorio Veneto

Mir fällt zu spät ein, „Aux Armes!“ anzustimmen. Vielleicht singt man das auch gar nicht mehr. Ich war ja schon viel zu lange nicht im Stadion. Trotzdem geil: Ein Camouflage tragendes Grupetto rollt durch Brixen und singt „We love St. Pauli“, früh morgens, bei Regen.

Heute steht also die Königsetappe an. 195 Kilometer. 1800HM. Aber wenigstens regnet es. Wir können ja nicht auf dem Muttiradweg über die Alpen fahren und dann noch die ganze Zeit schönes Wetter haben. Dramaturgisch insofern auch wichtig, dass es am Tag der Königsetappe schifft. Mit Aussicht auf Besserung vom Ende hin.

Meine persönliche Durchhalteparole heute: es sind ja eigentlich nur 80 Kilometer. Die hundert Kilometer Abfahrt waren mir ja schon am ersten Tag in Aussicht gestellt worden. Dann noch zwanzig Kilometer flach und morgen dann Ausrollen Richtung Meer.

Aber heute noch mal „epischer Scheiß“. Was heute passiert, bleibt haften, sollte Arturo später sagen. Leider muss ich gerade feststellen, dass ich für eine detailreichere Schilderung des Erlebten besser zeitiger berichtet hätte. Vielleicht bin ich auch ein bißchen im Tunnel: im Verlauf des Tages wächst jedenfalls das dringliche Bedürfnis nach einer Saisonpause.  Einfach mal zehn Tage keinen Sport. Sehr verlockend. Natürlich – Vorsicht, Spoiler, sollte dieses Bedürfnis morgen in Nähe des Mittelmeeres wieder gegen Null tendieren.

Wie dem auch sei, die Motivation ist anscheinend immer noch hoch: ich schaffe es, bis zum finalen Anstieg an der Gruppe dran zu bleiben. Wie mir das Fly By später verrät, ist der Abstand erstmal auch noch gar nicht sooo riesig. Auf den letzten Kilometern geraten die meisten dann aber doch außer Sichtweite. Ralf und ich ziehen uns gegenseitig hoch. Das klappt gut. Als wir über die Kuppe drüber sind, verspüre ich allerdings das dringende Bedürfnis, mich fallen zu lassen. Ralf drückt – ich habe keinen Bock mehr. Trotzig lasse ich rollen. Als Ralf außer Sicht ist, mach ich auch endlich mal ein Foto:


Jetzt wächst auch der Abstand auf die Gruppe. An der Verpflegung treffe ich sie wieder, und steige mal wieder in die Diskussion mit Philipp ein, ich würde jetzt allein weiter fahren und er möge doch bitte bei der Gruppe bleiben. Nein, er habe bereits Bescheid gesagt, und würde jetzt bei mir bleiben.

Ja, so kam es dann irgendwie auch. Und: so ein bisschen hatte ich mich ja schon ausgeruht.  Wir fahren wieder an, und schon bald ertappe ich mich bei Gedanken wie: oh, wenn wir das Tempo halten, sind wir in anderthalb Stunden drin. Da waren noch 60 Kilometer zu fahren. Hab ich aber selbst gemerkt.

Dreißig Kilometer vor Schluss dann erneut  das unvermeidbare: ein kurzer Gegenanstieg und die Gruppe ist wieder weg.

Zuvor gab es noch eine „wilde“ Verpflegungsstelle; das ganze Dorf ist auf den Beinen, um uns zu feiern. Im Rückblick kann man festhalten: je weiter wir nach Süden kamen, umso herzlicher wurden wir aufgenommen. Ingo sagte: dieser Bürgermeister ließ sich einfach nicht davon abhalten, eine Verpflegung einzurichten. Großes Kino, aber: ein bisschen aus dem Rhythmus bringt mich der Stopp schon.

Ich merke beim wieder anfahren auch allmählich, dass ich leicht über meine Verhältnisse gefahren bin. Seit drei Tagen ja schon. Jetzt finde es dann auch gerade gar nicht so schlimm, allein unterwegs zu sein. Das merke ich spätestens, als ich Ansgar aufgabele. Dessen Navigationsgerät ist ausgestiegen und wir fahren das letzte Stück zusammen.  Oder besser: er passt sich an mich an. Zu diesem Zeitpunkt tue ich mich ein bissen schwer, mich auf andere einzulassen Anders als stumpf meinen Stiefel fahren geht jetzt nicht mehr.

Die letzten 700 Meter fahre ich dann aber doch noch allein. Ein Reifenplatzer lässt ihn mit Knalleffekt aussteigen.

Das Ziel in Vittorio Veneto ist großartig, der Empfang herzlich. Man feiert uns. Im Hotel dito: „Sie wollen Ihre Räder sicher mit auf’s Zimmer nehmen? Kein Problem!“

Nach dem Regentag freue ich mich auch über den zur Verfügung gestellten Schlauch. Die Lappen. Die Schwämme. Das Shampoo. Ein Hotel wie ein Lottogewinn.

Wir lassen uns dann noch mit dem Bus in die Stadt fahren. Wenn ich es richtig verstanden habe, gesponsert vom Tourismusverband. Insgesamt freue ich mich sehr über die herzliche Behandlung. Nach einer Pizza treibt es uns aber auch gleich wieder ins Hotel zurück. Nicht, ohne unser Schrittziel im Auge zu behalten, natürlich.

Weiter Rad fahren kann ich mir zwar gerade nicht wirklich vorstellen. Nützt aber ja nichts, wir müssen ja noch ans Meer. Zunächst freue ich mich aber, wieder länger schlafen zu dürfen. Meine Schuhe habe ich dann auch erst am nächsten Tag trocken gefönt.

tbc.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert