Tour de Friends Stage 2 – Innsbruck – Brixen

Heute nur 90 Kilometer. Und: nach 40 Kilometern geht es nur noch bergab. Wir durften ja heute ausschlafen – die Starts erfolgten erst ab 10 Uhr – wobei wir aufgrund der guten Zeiten des Vortages als eins der ersten Teams auf die Strecke geschickt wurden. Was mir trotz eventuell nachlassender persönlicher Performanz noch etwas Tagesfreizeit ermöglichen würde. Voraussichtlich würde es erneut trocken bleiben. Gute Voraussetzungen, gute Aussichten. Auch später auf der Strecke:


Trotzdem habe ich gehörigen Respekt vor morgen. Auf keinen Fall will – und darf – ich mich heute kaputt fahren. Notfalls lasse ich die Gruppe halt ziehen, beschließe ich. Mal wieder.

Die erste Gelegenheit dazu ergibt sich gleich nach Innsbruck. Nachdem wir die Aussichten auf die Hinterhöfe, die ich schon von unseren abendlichen Spaziergängen kenne, noch einmal genießen durften, geht es gleich in die Bergwertung. Nun, ich lasse sie verstreichen. Also, die Gelegenheit, die Gruppe ziehen zu lassen.

Übern Brenner also. Da ich noch nie wirklich in den Alpen war, bin ich durch die Aussicht gut abgelenkt. Die Zeit vergeht wie im Flug. Und: es geht mir so gut, dass ich zu glauben beginne, dass „das hier“ wirklich die „Einsteigervariante“ einer Alpenquerung ist.

Einzig mich nach dem Bergfest nicht einfach fallen lassen zu können – und stattdessen weiter zu drücken – finde ich weiterhin ungewohnt. Kurz vor dem einzigen – und bei Kilometer 61 späten – Verpflegungspunkt falle ich dann auch erstmals aus der Gruppe. Und bemerke meine Erschöpfung. Um ehrlich zu sein: eine plötzlich auftretende, stark ausgeprägte Erschöpfung. Wo kommt die denn her? Bange Minuten befürchte ich, am Verpflegungspunkt vorbei gefahren zu sein. Ein leichter Ansatz eines Gefühls, das ich fast als „Verzweiflung“ zu beschreiben geneigt bin, macht sich breit. Keine Katastrophe, die mich zum Abbruch zwingen würde. Aber schlimm. Optional außerhalb der Labe zu rasten kommt mir an der Stelle gar nicht in den Sinn. Schätze, das Blut wurde in den Beinen gebraucht.

Die Verpflegungsstation kommt dann aber doch. Und da ist auch die Gruppe wieder. Wir fahren das Ding dann zusammen zu Ende … die letzten Kilometer ziehen sich, mal wieder. Zum ersten Mal hab ich die Antilopen Gang als Ohrwurm: „jede Reise hat ein Ende – jeder Hafen hat ’ne Bar“ – ich beginne, mich auf den Absacker zu freuen und spiele mit dem Gedanken, die Zeile in den Strava-Titel einzubauen.

Dann, wir sind fast da, meine Chance: ein Navigationsfehler der Führenden unserer Gruppe. Wir sind schon in Brixen, kurz vor dem Ziel. Es wird ja die Zeit des dritten Fahrers eines Teams gewertet und nachdem fast alle falsch abgebogen waren, bin ich plötzlich vorne… nachdem ich aber eigentlich den ganzen Tag hinten war, widerstrebt ein derartiger „Dolchstoß“ doch meinem Sportsgeist. Wenn ich schon lutsche, kann ich wenigstens jetzt einen Rest Anstand wahren.

Wir sind, obwohl ich aus den vorgenannten Gründen sicherstelle, mindestens drei Kollegen vorzulassen und wir dadurch noch die ein oder andere Sekunde verlieren, immer noch vorne mit dabei. Ich überlege kurz, ob das für mich zu einem gravierenden Nachteil gereichen könnte: morgen werden die schnellen erst spät auf die Strecke geschickt. Am Ende beschließe ich, mir nicht allzu viel Sorgen deswegen zu machen – und mir aber trotzdem  Licht einzustecken. Die Möglichkeit eines Einbruchs ist heute nicht unwahrscheinlicher geworden.

Heute freue ich mich aber erstmal, mit den Bonkers mitgehalten zu haben und genieße deren Gesellschaft.

Stichworte zur Abendgestaltung:

Südtirol fühlt sich erstaunlich wenig italienisch an. Es war mir ein bisschen peinlich, neben Julian als einziger noch eine ganze Pizza zu essen, nachdem wir von Rad Race verpflegt worden. Das ist allerdings auch eine Frage der Imagepflege. So oft „Ein Prosit der Gemütlichkeit“ wie heute Abend habe ich in den letzten 15 Jahren nicht gehört. Der Einfall der 400 in den Spar-Supermarkt hatte Flashmob-Charakter.

Cliffhanger: außer meines Lichtes – dessen Mitnahme ich aber von vornherein ehrlich gesagt als übertriebene Vorsichtsmaßnahme gewertet habe – werde ich morgen meine Regenjacke mit auf die Strecke nehmen.

Fortsetzung folgt.

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